11. Januar 2022 7 Kommentare InternationalKolumnenThrowbacks
Der folgende Artikel wurde als Gastbeitrag eingesandt und stellt eine Kolumne dar. Sie beinhaltet daher möglicherweise persönliche sowie subjektive Einschätzungen des jeweiligen Gastautors. Den ersten Teil dieser Serie findest du hier.
Die Phase, die dann ab 2013 bis 2020 eingetreten war, ist weniger spektakulär gewesen. Sulake hatte – wenn man es so sagen möchte – nach dem Pädophilie-Skandal im Jahr 2012 nur noch bedingt Lust auf mediale Aufmerksamkeit gehabt. So wurde besonders in den kommenden Jahren eine Strategie gefahren, die auf „Aussitzen“ beruhte. Man versuchte von den Spielern, die noch da waren, so stark wie möglich zu profitieren, ohne diesen parallel hierzu ein großartiges Spielangebot zu machen. In der Sulake-Zentrale bestand Einigkeit darüber, dass sich Habbo durch die Skandale in den letzten Jahren nur noch schlecht vermarkten ließe und Investitionen angesichts dieser Umstände unrentabel seien. Versuche, sich über eine mobile App zu etablieren, schlugen auch fehl. Die Entwicklung, die Habbo von nun an durchlief, wurde so schlecht aufgenommen, dass selbst Fanseiten, wie die berühmte HabboTimes-Fanseite mit folgenden nachdenklichen Worten ihre Seite im Frühjahr 2013 schlossen:
„[…] Wir stehen für eine Zeit, in der das Habbo viele Fans hatte. Für eine Zeit, in der das Habbo eine lebendige Gemeinschaft war. Für eine Zeit, in der es im Habbo etwas zu erleben gab. Für eine Zeit, die vorbei ist. […] Die Zukunft gehört einem neuen Habbo. Einem Habbo, das seine Fans noch finden muss.“
Dabei ist an diesem Ausschnitt gerade der letzte Satz bemerkenswert und erhält rückblickend sogar eine tendenziell komisch-sarkastische Nuance. Denn ganze neun Jahre nach diesem Satz wissen wir alle: Das Habbo von 2013 bis heute hat in diesem Sinne nie seine Fans gefunden. Tatsächlich stand und steht die Schließung HabboTimes symbolisch für die Abwärtsspirale, die Habbo seitdem vollzogen hatte. Fast schon im Rekordtempo bauten sich ab 2013 die Userzahlen rasant ab. Was machte Sulake? Nichts. Aussitzen. Alles rausholen, was halt noch geht. Parallel dazu lief auch in der Retroszene usertechnisch nicht mehr alles rund. Auch hier nahmen die Userzahlen stetig ab. Ab 2015 konnte man bereits die ersten Stimmen hören, die einen „Untergang der Szene“ erahnten. Nichts lief mehr so richtig, man sah dem Elend mehr oder weniger nur noch zu.
Als wir im März des Jahres 2020 fast alle in den Lockdown gehen mussten, passierte etwas interessantes im Habbo: Nach vielen Jahren kehrten vermehrt wieder viele alte Spieler in das Hotel zurück. Offizielle Zahlen geben an, dass die Spielerbasis ab März um etwa 213% gestiegen sei. Auch weltweit schien das Habbo Hotel wie ein sehr passendes Spiel für die Lockdown-Zeit. Warum real unterrichten, wenn man sich einfach im Habbo Hotel ein Klassenzimmer baut, wie es ein brasilianischer Lehrer mit seiner Schulklasse tat? Diese Revitalisierung von Habbo brachte viel Schwung in das Spielgeschehen und darunter zum Beispiel auch in die Habbo-Ökonomie, da wieder sehr viele alte, gebunkerte Möbel in die Tauschabläufe hineinkamen. Auf der anderen Seite muss man sagen, dass das Wort „Revitalisierung“ fast schon etwas unpassend ist. Wie bereits eingangs angemerkt, handelte es sich vor allem um alte Spieler, die wieder zurückkamen. So schnell wie sie kamen, so schnell gingen sie zum Teil auch wieder. Der „Hype“ war daher zum Teil nur von kurzer Dauer. Doch ein kleinen Hoffnungsschimmer für ein neues, für ein dauerhaft starkes Habbo sollte es dann doch noch geben.
Wenn wir über das Projekt „Habbo 2020“ reden, müssen wir uns zunächst mit einer kleinen Vorhistorie beschäftigen. Alles fing damit an, dass Adobe bekanntgab, den „Adobe Flash Player“, über den Habbo seit jeher lief, nicht mehr länger unterstützen zu wollen. Der Hashtag: „#RIPHABBO“ machte auf Twitter seine Runden und die User schienen frustriert über das „Ende von Habbo“, aber tatsächlich reagierte Sulake auf diesen Protest diesmal (schockierender Weise) ziemlich professionell. Man gab relativ schnell bekannt, dass man sich an eine neue Version wagen möchte, die das Spielgeschehen „revolutionieren“ solle und eine neue Generation von Habbos mobilisieren soll. Neue Version? Neue Generation von Habbos? Revolution und Habbo in einem Satz? Was passiert hier eigentlich? Es gab zum Teil ein richtiges Aufbegehren in der Community: „Habbo wird auferstehen.“ – so lautete die Prämisse. Auf einigen Foren konnte man derweil auch lesen, dass Sulake mit Influencern Kooperationen eingehen möchte, um Habbo wieder unter die Menschen zu bringen. Es schien wirklich so, als würde Sulake – wenn auch sehr spät – die Kehrtwende vollziehen wollen und ihr stolzes Spiel Habbo nicht einfach der Vergessenheit überlassen.
Aber lasst mich auch hier gerne einen Spoiler voranstellen: Sulake hat auch das wieder vollständig verhauen und als ob der Grundsatz gelten würde: „History-repeats-itself“, hat Sulake auch diesmal den strategischen Fehler gemacht, nicht auf die Community zu hören. Das Entfernen des Lobsystems so wie man es kannte oder das Entfernen alter Möbel oder das faktische Ausschalten der Tauschmöglichkeit und viele andere Änderungen wurden unter Usern vermehrt überhaupt nicht gut aufgenommen. Viel zu zusammenhangslos, viel zu spielschädigend und viel „unhabbomäßig“ erschienen vielen die Änderungen. Problematischer war aber, dass viele dieser implementierten Änderungen zum Teil total verbuggt und funktionsuntüchtig waren. Auf vielen Foren findet ihr mitunter zig Screenshots von Räumen, in denen z.B. die Möbel flackern, weil sie – warum auch immer – nicht kompatibel mit dieser neuen Version sind. Sulake verschob nicht nur die Deadline für „Habbo 2020“ mehrfach, sondern entblößte sich zunehmend auch als ein Unternehmen, das es nicht mal mehr auf die Reihe bringt, eine solche Version fehlerfrei zu implementieren. Das hatte streckenweise etwas von den Amateuerversuchen vieler Progammierer in der Retroszene, aber sei es drum. Nicht zuletzt trendete auf der Twitter hierdurch der Hashtag „#notmyhabbo“. Die Unfähigkeit Änderungen wirksam zu kommunizieren und lupenrein an den Start zu bringen, führte erneut dazu, dass die durch die Coronapandemie gewonnenen Spieler ihren Weg aus dem Hotel machten. Hierzu eine kurze Grafik:
Hotel | Spieler – 1 Tag bevor Habbo 2020 Implementierung | Spieler – 9 Tage nach Habbo 2020 Implementierung | % Veränderung |
Brasilien | 2472 | 1020 | -58,70% |
Spanien | 1578 | 553 | -65,00% |
Türkei | 848 | 265 | -68,80% |
Frankreich | 479 | 216 | -54,90% |
Niederlande | 461 | 207 | -55,10% |
Deutschland | 392 | 231 | -41,10% |
Finnland | 260 | 126 | -51,50% |
Aufgrund der vorliegenden Zahlen entschied sich Sulake im Februar dieses Jahres die Flash-Version von Habbo, die über Unity lief, nochmal hinzuzufügen. Man konnte sich als Spieler also entscheiden, welche Version des Spiels man lieber spielen wolle und konnte sich beim LogIn folglich entscheiden. Damit sendete man aber erneut das Gefühl aus: „Wir können’s nicht“. Trotz mehrfachem Aufschub schaffte es Sulake nicht ein modernes und ansprechendes Habbo zu schaffen und verpasste damit die Chance, Habbo wieder zu revitalisieren.
Wenn man verstehen will, warum Habbo heute dort steht, wo es steht, muss man sich meiner Meinung nach anhand der Historie deutlich machen, wie viele Fehlentscheidungen eigentlich an oberster Stelle getroffen wurden. Dabei bleibt natürlich fraglich, inwiefern der „Pädophilie-Skandal“ oder der „Great Mute“ wirklich zum Userschwund beigetragen haben. Auch wenn die Zahlen von einem starken Userschwund aufgrund dieser Vorfälle reden, muss man einen entscheidenden Aspekt immer mitdenken: Sulake hat Habbo nie für den sich anbahnenden starken Gaming-Markt sowie den sich stark entwickelnden Social-Media-Markt gewappnet. Gerade im letzten Jahrzehnt zwischen 2010 und 2020 wissen wir alle, wie stark das „World Wide Web“ mit Apps, neuen Spielen, neuen sozialen Medien und und und überflutet wurde. Sulake hätte sich an dieser Stelle als eine „Digital Native Company“ dazu entscheiden können, den Markt maßgeblich zu bestimmen, indem es Habbo entscheidenden Innovationen zuführt. Doch ich denke, die Geschichte Habbos hat klargemacht: Als andere anfingen millionenfach in ihre Produkte zu investieren, fing Sulake an zu sparen. Als es wichtig wurde, auf seine Spieler zu hören, hörte Sulake weg. Als es Zeit war Habbo zu modernisieren und zukunftsfest zu machen, entwickelte Sulake einen miserablen Ableger, der nicht ansatzweise an die Erfolge Habbos rankam.
Die Mischung aus vielen strategischen Fehlentscheidungen im Rahmen von Skandalen hat Habbo meiner Meinung nach dahin gebracht, wo es heute steht. Und besonders für die Retroszene, die ja gerade seine User von Habbo bezog, entstand hierdurch immer mehr ein Demographieproblem. Die Stammspielerschaft Habbos alterte zunehmend und neue Spieler kamen nie nach. Und obwohl wir durch die Coronapandemie gesehen haben, dass Habbo als Spiel durchaus noch gewisses Potenzial hat, kann sich Sulake nicht dazu durchdringen, aktiv in Habbo zu investieren. Sinnbildlich steht hierfür, dass Sulake angeblich durch die Corona-Monate 6 Millionen US-Dollar an Habbo verdient haben soll. Sulake will das Geld aber nicht dazu verwenden, um sich vielleicht um ihr peinliches Konstrukt namens „Habbo 2020“ zu kümmern, sondern sich lieber einem neuen Spiel widmen, dass sich an Mädchen im Alter von 7+ richten soll. So viel dazu, dass Habbo unter Sulake noch eine Chance habe. Dennoch wird Sulake Habbo nicht einfach als Projekt „beenden“, wie es manche voraussagen. Trotz der Vorkomnisse dürfen wir nicht vergessen, dass in die Entwicklung von „Habbo 2020“ relativ viel Geld reingesteckt wurde upixnd Sulake daraus zumindest noch etwas Profit rausschlagen möchte. Überdies ist klar: Sulake ist stolz darauf, dass es ihr Spiel, Habbo, schon so lange gibt. Insofern kann ich die Nostalgiker unter euch beruhigen: Habbo erfährt in diesem Sinne in näherer Zeit kein „Ende“. Die Zeit eines erfolgreichen Habbos und eines Habbos, in dem sich gerne junge Menschen trafen und Zeit miteinander verbrachten, ist aber leider unbestrittener Weise schon lange zu Ende.
Der Artikel spricht mir echt aus Seele, Respekt, ist echt gut gelungen. Zu Habbo2020: Es ist fast schon absurd, wie Sulake das wieder voll verhauen hat. Aber vielleicjt ist das auch gut so. Habbo ist letzten Endes immernoch ein Kinderspiel aus alten Zeiten und kann mir ehrlicherweise auch nicht vorstellen, wer das heute noch von der Jugend spielen soll. Du hast selbst gesagt: Der Gaming-Markt ist vergleichsweise so stark geworden und Habbo fällt da graphisch und vom Spielprinzip einfach hinten durch, da muss man einfach ehrlich sein.
Habbo ist leider einfach RIP und das sollte jeder spätestens nach 2014 gemerkt haben. Kann das Fazit nur unterstreichen!
Alles auf den Punkt gebracht!
Die Idee einer sozialen Online-Welt war zu der Zeit als Habbo erschien nun mal revolutionär und Habbo mitunter der Initiator dieser Bewegung. Anfang der 2000er folgten viele diesem Konzept und wir bekamen Spiele wie Second Life, Club Penguin, MovieStarPlanet, Panfu, Our World, Runescape und und und. Viele dieser Spiele, Habbo mit eingeschlossen, machten denselben Fehler, indem sie sich nicht weiterentwickelten. Denn die Idee einer sozialen Online-Welt ist noch lange nicht ausgestorben und wird, wie wir vor allem in den letzten Jahren gesehen haben, sogar die Zukunft bestimmen: Metaverse. Wie ich mitbekommen habe, hat Sulake sogar den Schritt gewagt, in die NFT Szene einzusteigen, womit sie auch unerwartet erfolgreich waren. Das zeigt einfach, was für ein Potenzial immer noch in Habbo steckt. Das eigentliche Problem ist jedoch ein einziger Konzern, nämlich Sulake selbst. Sulake hat immer wieder gezeigt und zuletzt auch mit ihrer neuen Habbo Version, dass sie nicht dazu im Stande sind, ansatzweise mit anderen Spieleentwicklern mitzuhalten.
Abschließend lässt sich sagen, dass Habbo’s einzige Rettung die Übernahme eines anderen Konzerns wäre, der Zeit und Geld in die Zukunft eines neuen Habbos steckt.
Bin nach dem ich das hier gelesen habe, wirklich sprachlos. Ich habe Habbo seit 2008 mitbekommen und bin seitdem täglich aktiv gewesen. Bis circa 2018… und irgendwie ist es schade, dass dieses Kapitel, dieses Spiel ein solches Ende findet.
Das was mich tatsächlich sehr sprachlos macht ist der Fakt dass hier einige User eventuell nicht verstanden haben das diese Kolumne sich nur mit etwa 1% auf Retro Hotels bezieht und ansonsten sehr gut die Situation vom Original Hotel zusammenfasst.
Trotzdem liegt die Verbindung zu Retros – die auch kaum noch gute Werte verzeichnen – in der Hand (siehe Schluss). Die Retros können nirgendwo mehr ihre Userbase beziehen, weshalb sie stetig schrumpfen. Habbos Untergang ist schließlich also auch ein Untergang der Retroszene.
hört mir zu wenn ich sage, hubba und das ST sollten sich zsm tun, dann hättet ihr regelmäßig über 200 Spieler