15. April 2016 0 Kommentare SkandaleHabboSTKolumnenRetro HotelsThrowbacks

Wie viel Nationalsozialismus ist zuviel des Schlechten?

Beim folgenden Beitrag handelt es sich um eine Kolumne und einem Meinungsbeitrag eines Users. Der Beitrag spiegelt nur die eigene Meinung des Autors wieder, nicht etwa die von RetroTimes oder der Allgemeinheit.

Schauplatz Habbo. Ein Ort, in dem Kinder und Jugendliche ihre Zeit außerhalb der Realität verbringen und mit Freunden chatten, chillen oder damit beschäftigt sind, in anderen Räumen rumzuhängen. Zu den allerlei Räumen in den Navigatoren der Retros zählt seit neuem wohl auch eine Gaskammer, und auf RetroTown wird fast zeitgleich eine Hitlerstatue als Möbelstück veröffentlicht. Zwei eigentlich völlig unabhängige Ereignisse – und doch lösen sie in mir Fragen aus, die gerade aus der Entsetzung des Gesehenen hervorgehen: Wie viel Nationalsozialismus ist zu viel des Guten – in diesem Fall des Schlechten? Sind Gaskammern erlaubte Hotelräume und völlig normale Aufenthaltsorte für einen Habbo Hangout? Ist die veröffentlichte Hitlerstatue auf RetroTown ein historisch legitimes Monument?

Nun, seien wir ehrlich – eine Gaskammer in der Hotelnavigation eines Retros zu finden gehört glücklicherweise noch nicht zum völlig normal gewordenen Alltag. Umso eher hatte ich zu staunen, als ich bei meinem Besuch im HabboST gegen 21 Uhr nachts, vor nicht weniger als zwei Tagen, in der Navigation einen gutbesuchten Raum mit der Betitelung „Auschwitz“ vorfand. Eigentlich ein ganz legitimer Name, doch mir war klar, dass hier nur weitere Intentionen zu erwarten waren – also statte ich dem Raum einen Besuch ab. Kaum hatte ich ihn erst betraten, bot sich meinen Augen noch mehr Verwunderung:

Wahrhaft Habbos in brauner Offizierskleidung, ein nachgebautes Gefängnis, gleich neben der verriegelten Gaskammer. Raumbesucher zu diesem Zeitpunkt: Über 15. Ich schaue mich zunächst um und kann es gar nicht wahrhaben, dass so viele Habbos dort rumhängen. Dann schreibt einer der Wächter: „Alle nicht Juden entfernen sich aus der Gaskammer“, andere scherzen hoch munter mit sensationellen Sprüchen: „Immer dem Gasgeruch nach“. Es sind Aussagen, die mich einerseits zutiefst treffen und mir andererseits die Sprache verschlagen.

Der Raum war wohl bereits einige Zeit im Navigator geöffnet, da sich zum Zeitpunkt meines Hinzutreffens schon genug Habbos versammelt hatten. Ich selbst war rund zehn Minuten im Raum, ehe ich das Hotel dann verließ. Was mit dem Raum dann noch geschah, weiß ich nicht. Mir ist jedoch aufgefallen, dass der Raum in Vergangenheit schon einmal geschlossen wurde – denn die Beschreibung „Unangebracht für das Hotelmanagement“ deutet durchaus auf eine moderative Maßnahme des HabboST. Der Hotelleitung kann man in diesem Sinne nicht direkt Vorwürfe machen: Wohlmöglich waren zu wenige Moderatoren online, die den Raum hätten sehen und handeln können. Vielmehr gibt es große Vorwürfe zu richten an jene, die solche Räume bauen, und solche, die als Mitläufer mitmachen und die Atmosphäre im Raum stützen. Man muss sich nur mal klarmachen, welch ein Umstand gerade zum zentralen Punkt eines Rollenspiels in einem für Kinder geschaffenen Spiel wurde: Allein in Auschwitz starben 6,000,000 (6 Millionen) Menschen während des Holocausts auf äußerst menschenunwürdiger Art und Wese. Und dass es Jugendliche gibt, die sich darüber lustig machen, ja sogar ein eigenes Spiel daraus erbauen und es nachäffen – das macht mich einfach nur krank! Ich unterstelle ihnen keineswegs, rassistisch zu sein: Es sind höchstwahrscheinlich keine Neonazis, sondern schlichtweg dumme, nicht gebildete, respektlose Jugendliche, die Spaß daran finden, gegen Regeln der Gesellschaft, nein, sogar gegen Regeln der Menschlichkeit und Menschenwürde zu verstoßen.

Eine Hitlerstatue in Habbo?

Erst letzte Woche veröffentlichte ein RetroTown User eine selbst erstellte Hitlerstatue als Möbelstück. Tatsächlich behält er in seinem Argument, dass weder Name noch die Figur selbst verboten sind, recht. Die Statue trägt immerhin zur Geschichte bei, so NoChance1, der Ersteller des Möbelstücks. Später erläutert er außerdem, dass man doch nicht immer Rücksicht auf die Jüngeren nehmen könne und dass es Möbel geben sollte, die der Unterhaltung dienen. Adolf Hitler als Unterhaltungsfigur im Habbo Hotel? Keine Rücksicht auf Jüngere nehmen? Nur um zu versichern, dass er das mit der „Rücksicht auf Jüngere“ nicht falsch verstanden hat: Er erstellt ein Möbelstück für eine Community, dessen Zielgruppe auf Spieler zwischen 12 und 16 Jahren abgestimmt ist. Eine Hitlerstatue ist hier in jeder Hinsicht falsch an Platz.

Tatsache bleibt – Hitler ist durchaus eine Person, über die man reden kann oder sollte. Für mich bleibt es aber fragwürdig, ob dies unbedingt im Rahmen eines Onlinespieles laufen muss, in dem sich teilweise Jugendliche und Kinder aufhalten, die nicht einmal die Grundschule absolviert haben, geschweige denn über den Holocaust und dem Weltkrieg auch in nur Ansätzen informiert sind. Leider teilen diese Meinung nicht alle, das ist mir bewusst. Und dennoch ist für mich klar: Das Befassen mit dem Nationalsozialismus gehört auf seriöse Art und Weise in die Schule und nicht auf nachäffender Art in einem Spiel wie Habbo. Für Gaskammern oder sonstige Räume, die die Hitlerzeit verherrlichen, sollte dasselbe wie in der Realität gelten: Auch dort würde man so etwas nicht durchgehen lassen. Habbo hat schon seit längerem das Problem mit provozierenden und nazistischen Inhalten, das ist keine neue Geschichte: Und doch entsetzt sie einen immer wieder auf’s Neue. Es gibt Habbos, die dagegen halten: Sie blockieren Eingänge, melden die Räume und Spammen, damit die Trolls schnell ihren Spaß an der Sache verlieren. Und das wäre auch hier wünschenswert: Man kann auch online Zivilcourage zeigen und man kann auch online seine Meinung zum Ausdruck bringen.

Und die Hitlerstatue als Monument – nun ja, ein Hotel, das jene Statue einfügen sollte, würde sich automatisch als Hotel für geistig zurückgebliebene Menschen outen. Nur weil das Habbo Hotel virtuell ist, heißt es noch lange nicht, dass man sich alles erlauben darf. Schon gar nicht, wenn es um das Leben echter Menschen geht. Um ehrlich zu sein, gibt es Grenzen. Und diese Grenzen gibt es auch online, Vernunft ist gefragt, Anstand gehört an erster Stelle. Aber wie Albert Einstein einst sagte: Eine Grenze bleibt scheinbar nicht zu bestimmen – die Grenze menschlicher Dummheit. An die, die jene Inhalte belustigend finden: Geht zum Arzt, lasst euch helfen.

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